Alles ein Gammel, aber es geht (AEG)

1996, endlich war die Ausbildungszeit vorbei. Eigentlich wollte ich jetzt studieren, aber die Zeit nach dem Mauerfall sagte unserer Familie, dass es sicherer wäre, wenn ich erstmal den Berufsweg einschlage. Mit null Berufserfahrung war es schwer, einen Job zu finden. Ich kam dann bei einem Zeitarbeitsunternehmen namens Manpower unter. Dort wurde ich als Telekommunikationselektronikerin eingestellt. Umgangssprachlich heißt das Fernmeldemonteur, und das sind die Leute, die beim Kunden vor Ort normalerweise Telefonanschlüsse verlegen. Vielleicht habt ihr auch schon alternativ vom Telekomtechniker gehört. Sowas war ich: ein Telekomiker, wie man auch so sagt.

Über Manpower wurde ich dann als Zeitarbeitskraft bei AEG eingesetzt. Jedoch war AEG so ziemlich weit entfernt von dem, was ich eigentlich arbeiten wollte. Bei AEG wurden in Fließbandarbeit Großkondensatoren in Nachtschicht zusammengebaut. Diese Großkondensatoren waren ausschließlich für die Industrie produziert worden und nicht für den Privatgebrauch. Ich war noch ziemlich jung, also machte mir Nachtschicht nicht so viel aus, allerdings die Fließbandarbeit. Am Fließband standen 3 Maschinen, welche man abwechselnd bedienen musste.

Zunächst steckte man die leere Kondensatorhülse in die erste Maschine. Diese erste Maschine war mit sehr viel gelbgrüner (öliger?) Flüssigkeit befüllt und nun galt es der Maschine, die leeren Kondensatorhülsen, die im Kreis umhergingen, mit eben dieser Flüssigkeit zu füllen. Nun sei angemerkt, dass die Technik damals schon bei AEG sehr veraltet war und diese Maschinen doch sehr unzuverlässig funktionierten. So kam es recht oft vor, dass die Maschine diese gelbgrüne Flüssigkeit (Flüssiges Dielektrikum / Elektrolytflüssigkeit) literweise neben die leeren Kondensatorhülsen kippte, anstatt in diese hinein. Das konnte man sehr gut sehen, da die Maschine zum Großteil aus Plexiglas oder Glas bestand und somit großteils transparent war. Alle paar Stunden musste die danebengekippte gelbgrüne Flüssigkeit in der Maschine abgesaugt / aufgewischt werden, wobei sich die gelbgrüne Flüssigkeit inzwischen bis zu 15cm Höhe angesammelt hatte, schätzungsweise wurden schon 10+ Liter daneben geschüttet. In die Maschine selbst konnte man nicht reingreifen, das konnten nur die Techniker, die dafür einen Schlüssel besaßen.

Wenn die Kondensatorhülse dann doch mal erfolgreich befüllt wurde, wurde diese nun in die zweite Maschine gesteckt und da kamen noch weitere Teile dazu wie der Deckel und die zwei Drahtbeine für den Kondensator, um diesen komplett zu machen. Die zweite Maschine presste dann diese Teile zusammen. Das funktionierte recht gut.

In der dritten Maschine ging es dann um das Löten, wo die zwei Drahtbeine mit dem Deckel des Kondensators verlötet wurden. Diese Maschine war natürlich auch schon veraltet und als gelernte Telekommunikationselektronikerin konnte man gut erkennen, dass über 50% der Lötstellen Ausschuss waren.

Eigentlich funktionierte nur 1 der 3 Maschinen und man musste noch nacharbeiten und die fehlerhaften Lötstellen selbst nachlöten.

Ich musste mich amüsieren, wenn jedesmal die Techniker kamen, um die Maschinen wieder in Gang zu setzen bzw. zu reinigen. Ich habe zuvor noch nie soviel nutzlose Arbeit gesehen. Hätte man die Kondensatoren selbst per Hand befüllt und selbst gelötet, hätte man sicher doppelt so viel an Arbeit pro Tag geschafft und massiv an Material gespart. Ich war froh, als ich da nach wenigen Wochen wieder raus war. Es war immer ein großes Highlight die erste Maschine in dieser Flüssigkeit ersaufen zu sehen. Die Kollegin fand es wohl nicht so toll, da sie im Gegensatz zu mir nach Anzahl der gefertigten Kondensatoren bezahlt wurde. Ich hatte ein Festgehalt und wurde nach Stunden bezahlt. Für mich hatte es einen Lerneffekt, wie man Dinge nicht machen sollte.

Inzwischen gibt es AEG nicht mehr.

P.S. Die Kondensatorflüssigkeit sah farblich so aus wie die Flüssigkeit, welche in Libellen von Wasserwaagen verwendet wird (wobei ausgeschlosen werden kann, dass es dieselbe Flüssigkeit ist/war):